Sofia gay club berlin

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Die Leute hier verbringen ihre Zeit mit etwas, dessen Wert unterschätzt wird: dem Abhängen. Hier treffen sich Nachbarn, Exzentriker und Normalos, Touristen, Säufer und gescheiterte Existenzen. Keiner der Gäste an diesem frühen Abend denkt auch nur im Traum daran, für einen Chef oder eine Chefin erreichbar zu sein.

Stattdessen werden Gespräche an der Bar geführt, mit sich selbst oder Umsitzenden, das ist nicht immer ganz klar und auch egal. Dafür sorgen die spleenigen Gäste und das ambitioniert-schräge Kulturprogramm. Seipel sitzt vor der albanischen Seenlandschaft, mit der die Vorbesitzer die Wände gestaltet haben.

Man trifft sich davor zum Transen-Volksmusikstadl und zum Karaokesingen. Das Schöne: Nicht einer allein performt auf der Bühne, sondern alle singen, johlen oder brummen mit.

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Das sei ein schöner Abend gewesen, schwärmt Seipel. Ein Bild von Maren Gilzer neben der Bar erinnert daran. Nur sprachlich nicht ganz einfach, denn einer der Gastgeber habe vor Aufregung in seiner Muttersprache gesprochen, Schwedisch, das habe natürlich niemand verstanden. Der Höhepunkt des Jahres ist der Homo-Laternenumzug, den Seipel seit sechs Jahren an Sankt Martin veranstaltet, bei dem auch Heteros mitmachen dürfen.

Beim letzten Umzug hatte einer der Teilnehmer, übrigens hetero, einen zwei Meter hohen Penis gebastelt, in dem er den Zug von 70 Leuten anführte. Mütter hätten besorgt ihre Kinder weggezogen, richtig problematisch sei es am Schlesischen Tor geworden: Alle wollten mit dem Penis fotografiert werden.

Ein bisschen erinnert die Atmosphäre an eine Klassenfahrt, nur mit mehr Freiheiten. Ein Gast komme manchmal als Biene Maja verkleidet, ein Barkeeper ab und zu im Elefantenkostüm. Von Normierung hält er ohnehin nicht viel. Vor Kurzem hat der Jährige seine Dissertation in Kunstgeschichte abgegeben, es geht um Bodymodification als künstlerischem Ausdruck.

Der gebürtige Franke spricht leise und mit weich rollendem R, er schreibt Theaterstücke, zeichnet Kinderbücher und kuratiert gerade eine Ausstellung über den ersten Völkermord des Jahrhunderts, den die deutsche Kolonialmacht im heutigen Namibia verübte. Seit neun Jahren gibt es das Sofia, davor betrieb Seipel eine Galerie in Friedrichshain.

Hier dürfen sich auch die aufwärmen, die in den umliegenden Kneipen Hausverbot haben. Das führe manchmal zu Konfrontationen, erzählt Seipel. Durch die Mietsteigerungen ändere sich die Klientel. Manche Zugezogenen reagierten allergisch auf jemanden wie den, der sich gerade an der Bar niedergelassen hat und der einen Arzt neben ihm anpöbelt.

Der Arzt motzt zurück und man beginnt zu plaudern. Das Sofia soll ein Freiraum bleiben. In seiner Bar lerne Seipel immer interessante Leute kennen. Und die danach in den Iran zurückkehrte, wo sie wieder Schleier trägt. Lustig sei auch ein alter Punk. Die endeten jedoch friedlich, weil beide immer zu dem Schluss kämen, dass ein dritter Mieter noch viel schlimmer sei.