Gay outing 2022 genf
Attacken auf Homosexuelle sorgen derzeit für Empörung. Die Frage, wie weit die Gewalt auch mit der Zuwanderung aus machoiden Kulturen im Zusammenhang steht, ist dabei besonders delikat — und umstritten. Der Mann brennt lichterloh, rennt über die Strasse und stürzt in ein Restaurant, immer wieder schreit er «Helft mir!
Das Personal reagiert schnell, schüttet dem Jährigen kübelweise Wasser über den Kopf. Später stellt sich heraus, dass der junge Baselbieter an jenem 9. April Opfer einer schwulenfeindlichen Attacke geworden ist: Eine Gruppe betrunkener Jugendlicher aus der Basler Steinenvorstadt hat ihn auf der Herrentoilette bei der Heuwaage überfallen, als «schwuli Sau» beschimpft, mit Benzin bespritzt und angezündet — es sei, so erklären die drei Haupttäter vor Gericht, «eine Art Zeitvertreib» für sie gewesen, Homosexuelle anzugreifen.
Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan. Heute, dreissig Jahre später, ist Schwul- oder Lesbischsein eigentlich nichts mehr, was man lieber für sich behalten sollte. Es gibt eine Gay SVP, es gibt «rosarote Polizisten» «pink cops» , und ein Outing im Trachtenverein ist genauso normal wie Rivella am Schwingfest.
Gay outings 2022 in genf: rückblick auf ein bewegtes jahr
Trotzdem ist der Hass auf Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender nicht einfach aus der Welt verschwunden. Im offiziell toleranten und weltoffenen Zürich etwa ist ein Paar nach der Gay-Pride-Demonstration von Jugendlichen geschlagen und beschimpft worden; einige Tage zuvor zerstörten junge Männer in Trainerhosen und Kapuzenkluft einen LGBT-Informationsstand vor dem Lochergut.
Woher, so fragt man sich nicht nur in der Szene, kommt dieser Hass? Den Basler Schwulenaktivisten Peter Thommen beschäftigt diese Frage schon seit Jahrzehnten. Wussten Sie, dass in Schwulenpornos viele Heteros mitspielen, weil da zu wenige von uns mitmachen würden?
Als sich Thommen Ende der er Jahre outet, gilt gleichgeschlechtlicher Sex unter 20 noch als Straftatbestand. Später, als er sich mit einer schwulen Liste in die Politik einmischte, wurden seine Plakate mit Hakenkreuzen verschmiert. An den Vorfall bei der Heuwaage erinnert er sich noch gut.
Was die Ursachen für die heutigen Übergriffe angeht, gibt es verschiedene Erklärungen, aber bis jetzt keine systematisch erhobenen Belege. Denn Straftaten gegen Homosexuelle werden nicht separat erfasst, auch wenn das jetzt mehrere Kantone nachholen wollen. Wieweit bei Gewalttaten homofeindliche Motive im Spiel sind, ist aber oft unklar.
Homophobie, so lautet eine erste Erklärung für die jüngsten Vorfälle, ist auch in scheinbar toleranten Gesellschaften immer noch weit verbreitet. Die Rudelbildung in sozialen Netzwerken und populistische Wüteriche wie Donald Trump tragen gemäss dieser Theorie das ihrige dazu bei, dass sich reaktionäre Geister dazu animiert fühlen, sexuelle Minderheiten öffentlich zu beschimpfen.
Welche Aggressionen und Ekelgefühle Schwule bis heute bei angeblich harmlosen Bürgern auslösen können, zeigt das Beispiel des TV-Moderators Sven Epiney: Nachdem er seinen Freund vor laufender Kamera mit einem Heiratsantrag überrascht hatte, hagelte es Hasskommentare, inklusive Schweinevergleichen und Erinnerungen an Sodom und Gomorrha.
Genährt werden derartige Ressentiments unter anderem von religiös-konservativen Kreisen, die Homosexuelle wie heilbare «Kranke» betrachten oder für schlechtes Wetter beten, wenn Lesben oder Schwule irgendwo feiern wollen. Noch übler treiben es Rechtsextreme, die sich in einem «demografischen Krieg» der Europäer wähnen — einem Krieg, in dem Homosexuelle als «demografische Deserteure» zu betrachten sind, wie ein Exponent der Partei national orientierter Schweizer Pnos kürzlich erklärte.
Auch einzelne SVP-Politiker fallen immer wieder mit abschätzigen Bemerkungen auf. So stellte Christoph Mörgeli die sarkastische Frage, wann die Linken wohl ein Adoptionsrecht für Haustiere fordern würden. Für die Tatsache, dass gleichgeschlechtliche Paare auch auf der Strasse immer wieder aggressiv angepöbelt werden, gibt es noch eine weitere Erklärung, die politisch jedoch weniger korrekt ist.
Die «Sonntags-Zeitung» schrieb in einem Report über den «heimlichen Hass», die Täter seien gemäss einer Umfrage im Milieu «fast durchweg männlich und von konservativer, machoid geprägter Herkunft». Etwas weniger verklausuliert heisst das, dass diese Männer oft einen Migrationshintergrund hatten, was gemäss Zeugenaussagen auch bei der jüngsten Attacke auf ein schwules Paar der Fall war.
Die Frage, ob der offen zelebrierte Schwulenhass auch mit der Zuwanderung aus Ländern zu tun hat, in denen Homosexualität geächtet oder gar mit dem Tod bestraft wird, ist ebenso delikat wie umstritten. Schnell ist der Vorwurf zur Hand, «Minderheiten gegen Minderheiten» auszuspielen, «den Rechten» zu helfen oder gar Rassismus zu schüren.